Montag, 16.07.2007


Auf die Befahrung des Jeschken haben wir gestern verzichtet, es war gar zu heiß, und immerhin lagern zwischen dem Camp und dem Gipfel immerhin noch 700 Höhenmeter. Obwohl der Gipfel schon verlockend aussieht. Und da es auch heute wieder sehr warm wird und wir eine lange Tour vor uns haben, lassen wir es also, für dieses Mal zumindest, ganz sein. Zudem habe ich arge Probleme mit dem rechten Ohr. Nach dem schon mehrere Wochen dauernden leichten Taubheitsgefühl drückt heute von innen etwas wie eine Geschwulst und das ist unangenehm und beim Kauen schmerzhaft. Aber wo soll ich hier zum Arzt??? Den wird meine AOK-Karte nicht interessieren. Nach dem Frühstückchen (Salami, Brot :-) schwingen wir uns wieder auf die Räder, die Beine sind etwas schwer, der Hintern etwas wund und fahren erst einmal bergauf auf 480 Meter Höhe. So kommen wir dem Jeschken recht nahe. Ich denke, es wird sicher noch einmal einen Versuch geben, auch dort hinauf zu radeln. Na vielleicht im nächsten Jahr. In der Juni-"Biwak"-Sendung gab es einen Beitrag, in dem Kutschke mit einem Radfahrer aus dem Erzgebirge vom Jeschken bis zur Schneekoppe fuhr. Wunderschöne Bilder, ähnlich wie wir sie in diesen Tagen sehen. Und ein Abend an der Wiesenbaude oben ist natürlich auch etwas wert. Vielleicht kann man das ja auch mal mit den Kindern... Na mal sehen. Rasch geht es nun wieder talwärts, Rast am Konsum in Cesky Dub, dann weiter hinab, das Ploucnice-Tal ist ebenfalls sehr schön.
Und an der nächsten Abbiegung, an der ein Wegweiser nach Turnov steht, entschließen wir uns, doch nicht die bequemere Route bis ganz hinab zur Iser zu nehmen, sondern über den Berg den kürzesten Weg hinüber ins 13 Kilometer entfernte Turnov zu fahren. Aber das bedeutet wiederum einen Aufstieg von 260 auf über 400 Meter, der Schweiß rinnt in Strömen, bald gibt es auf der Haut nur noch eine einzige Wasserfläche. Doch dann der Blick!
Drüben, jenseits des breiten Isertales, stehen schroff die Sandsteinfelsen des Böhmischen Paradieses. Wir haben kaum 25 Kilometer zurückgelegt und sind schon hier. Im Dunst die Burgruine Trosky und auch nach Turnov geht es nun durch welliges Gelände mit weiten Getreidefeldern und Baumgruppen recht rasch. Gegen halb zehn erreichen wir die Stadt. Enge Straßen, viel Autoverkehr, Gedränge, Hitze, Lärm... Unschön! Ich nutze die Möglichkeit, mal einen Buchladen aufzusuchen, wo ich wenigstens ein paar gute Karten, besonders freue ich mich über die Riesen-Isergebirgskarte, die die ganze Route bis Zittau abdeckt, kaufe.
Aber nun nichts wie hier raus, wieder ins Land. Nur der Brunnen am Marktplatz brachte noch einmal kurze Erfrischung. Wir suchen nun die kürzeste Route ins Riesengebirge, suchen auch nach Möglichkeiten, nur wenige Höhen und Quertäler mitzunehmen und demzufolge nicht direkt durch das Cesky Raj zu fahren, sondern es nur nördlich zu streifen. Die Straßen- und Wegeführung ist nun allerdings etwas unübersichtlich. Es ist recht kompliziert, Fahrrad zu fahren, mangelnde Schilder zu suchen und ständig die Karte zu überwachen.
Inzwischen erhält Günter auch noch Anrufe aus der Firma auf dem Handy und gibt im Fahren noch Ratschläge zu Kostenstellen- und Projektzuordnungen. Deshalb verfransen wir uns ein wenig, befinden uns zwar auf einer Straße in der richtigen Richtung aber hier gibt es einigen Autoverkehr und ein ruhiger Weg wäre da schon besser gewesen. Aber das verkürzt wenigstens die Strecke um ein weiteres Stück. Auch wenn es nun in sengender Hitze aus dem Isertal hinauf in den Nordteil des Cesky Raj, auf 530 Meter geht. Die Ausblicke hinüber zur Felsenburg Trosky sind wunderbar, Rast unter einem schattigen Baum in Tatobity, Stille, Sonnenglut...
Weiter, kurz etliche Höhenmeter hinab und wieder hinauf auf 530 Meter. Und von dieser Anhöhe sehen wir nun erstmalig im Dunst nördlich die Berge des Riesengebirges. Wie auch gestern schon der Jeschken, wirken auch diese noch sehr weit entfernt. Doch dort ist der Kotel, dort der Cerna Hora, der massige Schwarze Berg. Jubel, wir sehen unser Ziel! Von Meißen ins Riesengebirge. Wenn das nichts ist. Zwei "alte" Herren auf dem Rad. Und auf solch einer Tour. Da können sich selbst die Tour-de-France-Profis eine Scheibe abschneiden. Die müssen dopen, um die Berge hinauf zu kommen, sind viel jünger und haben kein Gepäck ;-)
Über Struzinec gibt es eine tolle Abfahrt über 4 Kilometer. Wir sind dann aber leider im Tal nur noch 270 Meter hoch. Das bedeutet, dass wir uns über Kostalov und Kundratice wieder hart den nächsten Hügel von über 520 Metern erkämpfen müssen.
Die 17 Kilometer bis Jilemnice sind normalerweise nicht viel, doch diese beinhalten zwei weitere Berge von über 530 Metern, inkl. zwei Seitentälern. So im Vorbeiradeln mal 17 Kilometer in einer halben Stunde sind hier eben einfach nicht möglich. Und bei 36°C ist alles ein Krampf. Insgesamt rechne ich aus, an diesem Tag über 8 Liter Flüssigkeit zu mir genommen zu haben. Nur so ist diese Tour zu schaffen. Trinken, Trinken, Trinken, Essen... Und das Getrunkene verdunstet augenblicklich wieder über die Haut.
Günter hat die hervorragende Idee, in Jilemnice, bei einem Fleischer Salate, Fleischsalat, Nudelsalat, Kartoffelsalat, zu kaufen. Die sind zum Glück nicht mit Mayonnaise angerichtet, sondern zum großen Teil mit Joghurt und liegen deshalb nicht schwer im Magen, sind gut bekömmlich und für mich, der ich heute nicht so richtig gut kauen kann, gerade gut genug. Dazu gibt es wieder einen Liter kalten Multivitaminsaft. Das lauwarme Trinkwasser aus unseren Flaschen steht uns schon bis zum Hals.
In Jilemnice sind wir halb zwei. Eine ganz gute Zeit. Nach Vrchlabi (430 m), ebenfalls nur etwa 15 Kilometer entfernt, lauern aber wieder zwei schöne Berge von über 500 Metern und eine Talabfahrt nach Horni Branna. In Vrchlabi ist es schließlich halb drei. Wir nehmen nicht die Umgehungsstraße, sondern fahren durch die bevölkerte Innenstadt. So sehen wir wenigstens noch ein paar schöne alte Häuser. Und dann fahren wir auf der Straße ins Gebirge hinauf. Langsam haben wir uns herangepirscht, haben auf der Strecke gar nicht bemerkt, wie wir allmählich näher kamen und nun sind wir hier.
Das Elbetal, waldreiche, immer höher werdende Hänge, eine sanft ansteigende Straße und nicht mehr weit liegt Spindlermühle. Der Höhenmesser zeigt 500, 600, 650...
Wir kommen nun gut voran, auch wenn es hier keinen Schatten gibt. 700... Dort ist der Elbestausee, Ortseingangsschild Spindleruv Mlyn, überdimensionales Parkleitsystem... Autos, Menschen, viele Deutsche... Ringsum schießen Hotelbauten wie Pilze aus dem Boden, kein Vergleich mehr mit Spindlermühle 1972, 1983 und auch zu 1994 sind die Veränderungen extrem. Ein Zentrum, beliebig austauschbar mit Mayrhofen, Sölden oder Garmisch.
Hoch oben der Kozi Hrbety, der Ziegenrücken, über 1380 Meter hoch, westlich der Medvedin mit reichlich 1200 Metern... Zum Camp müssen wir durch den Ort hindurch, aufwärts noch ein Stück. Die Anmeldung ist rasch erledigt, das Camp sehr leer. Die meisten sind Deutsche hier, Ostdeutsche... Aber die Masse macht Urlaub in den Hotels unten. Es ist um vier. Wir bauen auf und legen uns ein wenig in den Schatten zum Ausruhen. Neben dem Camp rauscht gleichmäßig die Elbe, wir sind ein wenig müde, schön geschafft von der Tour und...
Als wir wieder wach werden, ist es dann plötzlich schon viertel sechs, schnell duschen und Hunger haben wir auch. Aber Günter will in der Elbe baden. Also noch hundert Meter zu Fuß aufwärts, bis wir eine gute Stelle gefunden haben und uns mal ins kalte Wasser der Elbe legen können.
Herrlich, das ist das Top-Erlebnis des heutigen Tages.
Aber auch die Gaststätte an der Straße zum Ort hat gutes Essen und dort bleiben wir dann nach kurzer Ortsbesichtigung bei etlichen Staropramen, Lendenbraten mit Knödeln und Knoblauchsuppe lange hängen. Zum Souvenirkaufen war es nun leider schon zu spät, die Geschäfte haben ab 18 Uhr geschlossen. Als es dämmert, machen wir uns mit den Rädern noch einmal in den Ort auf, radeln dort ein wenig auf und ab, schauen uns um und kehren letztendlich beim Italiener zu Spaghetti Bolognese und Minestrone noch einmal ein, ehe es angeheitert im Dunkeln wieder zum Zelt zurück geht.


Strecke: 93,85 km, Zeit: 5:59:44, Höhenmeter: 1410