Thengboche - Dingboche


Sonnabend,18.11.1995
Mike is ill!
Er gibt auf.
Ist auch besser so, denn normalerweise müßte er jetzt schleunigst ins Tal.
Und ihm geht es sehr schlecht. Frank und ich wollen es dagegen bis Dingboche hinauf versuchen.
Nachdem Chuldim Mikes Rucksack zurück geholt hat, mit dem bereits ein Träger unterwegs war, versorgt mich Mike noch mit Filmen und dann verabschieden wir uns.
Schade, denn wir hatten uns alles ganz anders vorgestellt.
Aber Mike ist so schwach auf den Beinen, daß ihm alles egal ist.
Am besten wäre es, er stiege bis Phunki auf 3200 ab. Wir werden uns in Thengboche oder in Khumjung wieder sehen.
Also sind wir nun nur noch zu zweit.
Zunächst lauert am Nordhang hinab zum Imja Kosi eine blanke Schlitterbahn auf uns die wir mühselig hinunter eiern.
Das Wetter ist wieder Spitze, die Eisriesen einfach groß und das Tal, in denn wir nun aufwärts laufen, einfach schön.
Es geht durch Rhododendronwald, dann durch anderen Laubwald, dessen Blätter schon längst gefallen sind und kommen dem Winter immer näher. In Pangboche, dem Heimatdorf Chuldims gibt es Lunch, er verzieht sich indessen nach Hause, Lemon Tea und Potatochips.
Ringsum Berge, wir sind mitten im Himalaja und dem Ama Dablam beträchtlich näher gekom­men.
Nach der Lunchpause weiter, jetzt beginnt der Schnee, doch der Pfad ist durch die Sonne aufge­weicht und schlammig und nicht spiegelglatt. So erreichen wir allmählich die 4000-Meter-Grenze. Nach einer weiteren Rast auf 4065 Metern gehen wir langsam inmitten einer Yak-Karawane auf­ wärts.
Auf dem östlichen Flußufer ist immer noch Wald zu sehen.
In dieser Höhe...
Das sommerlich-herbstliche Tal bleibt hinter uns zurück, im Kopf regt sich ein kleines Männlein, welches beginnt, mit seinem Hammer gegen die Schläfen zu trommeln.
Wir sind in der Heimat des ewigen Schnees. Winter ringsum, ohne Gletscherbrille ist das grelle Licht nicht zum Aushalten, man würde rasch blind werden.
Der Ama Dablam zeigt sich nun von seiner Nordwestseite, links der Taboche von Nordosten und weit hinten lugt die Pyramide des Pumori über die Hänge.
Der Everest wirft bereits seit dem Vormittag seine Wolkenfahne, er selbst ist hinter der über 7000 Meter hohen Nuptsemauer nicht mehr zu erkennen. Was für ein Sturm muß da oben herrschen.
Der Pfad wird etwas steiler, wir müssen nochmals über eine Brücke, dann geht es mühsam hin­auf gen Dingboche.
Und nun fühlen wir uns beide "sick", die Höhe, der Kopf, die dünne Luft..
Die Landschaft wird immer alpiner, die Baumgrenze haben wir längst unter uns gelassen.
Und 14 Uhr haben wir das hochgelegene einsame Bergdorf Dingboche erreicht.
4343 Meter, es ist trotz Sonne kalt und auch unser Quartier, welches wir mit einer englischen Truppe teilen, ist die reinste Eishöhle.
Jetzt, 16.15 Uhr, lassen die Kopfschmerzen etwas nach, der Husten auch, aber die Kälte kriecht überall hoch.
Wir haben uns warm eingehüllt, die Sherpas spielen Karten...
Die Engländer (oder Amis) wollen zum Kala Pattar, sie haben Steigeisen, Pickel und Helme, und vor allem einige Tage mehr Zeit als wir.
Heute waren sie in Chukhung zur Akklimatisation. Es soll schön sein da oben.
Uns ist der Gedanke an den 5000-er Kala Pattar vergangen.
Bei diesem Schnee, dem Eis und der kurzen Zeit wäre das die Hölle für uns.
Vielleicht werden wir morgen bis Chukhung auf 4730 Meter gehen, aber mehr ist ohne Steigeisen nicht möglich.
In Thengboche erzählte man von einem Franzosen, der ohne auf dem Kala Pattar war, aber es muß sehr glatt und steil gewesen sein. Und vermutlich hatte er auch mehr Zeit als wir.
Mal sehen, was der Kopf morgen sagt.
Gegen 17 Uhr wird uns wieder ein wunderschöner Sonnenuntergang präsentiert, Lhotse, Ama Dablam, Taboche, Kangtega und Tramserku fern im Süden glühen.
Und dann wieder dieses rasche Erkalten der Farben und dann der Frost, 17.30 Uhr sind es -4°C.
Nach dem Abendrot beschließen wir, es morgen bis Chukhung hinauf zu probieren.
Die Engländer haben 3 Stunden benötigt.
Die Spur soll gut sein, Lobuche ist leider nicht an einem Tag zu schaffen, Chuldim bestätigt das, er hat uns noch die Wahl gelassen.
Aber der Eindrücke sind es trotzdem überwältigend viele.
Diese müssen erst einmal verarbeitet werden.
Und wir werden sicher wiederkommen.