Werra-Radweg Von der Quelle bis Eisenach

Da ist es wieder - das klassische Dilemma - (etwas intensiver) Radfahren UND dazu noch die Augen aufhalten, um Motive zu erspähen, ist eigentlich unmöglich. Also entscheiden wir uns fürs (etwas intensiver) Radfahren, denn wir müssen ja irgendwie noch das Quartier erreichen und erfreuen uns also am Blick in die wunderschöne Landschaft und dem Surren der Reifen auf dem glatten Asphalt.

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Die Bahnfahrt verläuft entspannt in einem dieser kleinen Regionalzüge, die an jeder Milchkanne halten. Aber gerade das macht Eisenbahnfahren aus - nicht in Überschallgeschwindigkeit durch die Lande zu rasen, sondern schon auf der Anreise die Möglichkeit zu haben, sich in Ruhe auf die kommende Tour einzustellen.
Von Rudolstadt aus erreichen wir auf den Rädern schnell das Schwarzatal. Im Kopf werden Rechnungen angestellt, vermutlich seit 50 Jahren war ich nicht mehr hier... Und trotzdem, als wir durch dieses schöne grüne Waldtal entlang des rauschenden Flüsschens bergan kurbeln, tauchen Bilder und Erinnerungen auf, die man längst verschüttet glaubte.
Schwarzburg, schön gelegen, oben auf einem Bergsporn, um den sich die Schwarza schlängelt, das leider sehr verfallene Schloss. Überhaupt hat man, je höher wir kommen, das Gefühl, dass diese Gegend, die ihre touristisch besten Zeiten vermutlich vor der Wende erlebte, derzeit im Dornröschenschlaf vor sich hin dämmert. Sitzendorf, Obstfelderschmiede, die Talstation der Standseilbahn....
Die Frage stellt sich, was aus mancher Ortschaft hier oben wohl wird, wenn die Letzten gegangen oder gestorben sind. Aber was solls, die Landschaft ist bilderbuchschön, wir genießen es einfach.
Unser Quartier in Katzhütte, welches wir nach 42 km erreichen, ist rasch gefunden, ist gemütlich, die Wirtsleute sind nett und der anschließende Besuch in einer urigen Dorfkneipe übertrifft beim leckeren (handgeklopften) Rostbrätl alle Erwartungen. (42 km)

Mit einem guten Frühstück im Magen fällt der erste Tagesabschnitt auf der kurvenreichen Straße hinauf zum Rennsteig bei Masserberg auch nicht schwer. Zunächst geht es sehr allmählich im Waldtal bergauf, erst oben ab 700 Metern wird es steiler. Und die "Steile Wand" von Masserberg, deren kleine Fiesheit darin liegt, dass man den steilsten Abschnitt erst vor sich sieht, wenn man um die Kurve herum ist und sich schon oben glaubt. Aber egal, wir sind oben - kaum zu glauben, dass dieser Ort auf der schönen, aussichtsreichen aber im Winter wohl auch sehr kalten Höhe ganzjährig bewohnt ist. Doch wer weiß, "dank" des Klimawandels wird es im letzten Winter selbst hier kaum Schnee gegeben haben.
Auf Schotterwegen geht es weiter, rund um den nächsten Berg und dann steil (das Bulls macht sich dabei richtig gut) auf ausgespültem Pfad bergab zur Werraquelle.
Früher (ja früher ;-) ein waldbestandener, recht einsamer Ort - heute steht hier eine große Berghütte, nebst einem "Schiefen Turm von der Werraquelle" - dessen Zweck uns auch die Chefin nicht erklären kann. Einige Sonnenbänke, Bierterrasse, Streicheltiere - den zahlreichen Mountain Bikern und  uns soll es recht sein, das (alkoholfreie) Hefeweizen kommt im rechten Augenblick, ehe wir uns auf die lange Talfahrt nach Sachsenbrunn hinunter begeben. Die Scheibenbremsen tun hier auf den Schotterwegen ein gutes Werk, schließlich geht es von 800 wieder auf 400 Meter hinunter.
Eigenartig, jedes Mal, wenn man den Thüringer Wald in Richtung Werra, Rhön überquert, hat man das Gefühl, die Landschaft sei hier unten klimatisch viel angenehmer, südlicher, heller, sonniger... So auch heute wieder, als wir zügig auf glatten Asphaltwegen und kleinen Straßen entlang der immer größer werdenden Werra entlang rollen. Eisfeld, Veilsdorf, Hildburghausen - idyllische Ortschaften und Städtchen in einem sehr idyllischen Flusstal.
Die Berge des Thüringer Waldes entschwinden am nördlichen Horizont, das Tal wird flacher, weitet sich... Der Werratal-Radweg ist wirklich perfekt ausgebaut, doch nur selten treffen wir andere Radler unterwegs.
Mittag gibt es unterwegs im Landgasthof, nun gut, die scharfe Soße ist nicht ganz passend zur Roulade, aber die Reserven sind wieder ordentlich aufgefüllt, so dass es in der schwülen Luft gut weitergehen kann. Es war zu erwarten, alsbald drängen von Westen dunkle Wolken herein, das sind offensichtlich die prognostizierten Gewitter. Das Kloster Veßra hätte man übrigens sonst auch gern einmal von innen anschauen können.
Das erste Gewitter erwischt uns kurz hinter Themar, das sitzen wir in einer Unterstellhütte aus, das zweite im Bahnhofswartehäuschen und das dritte schließlich im Bushäuschen in Meiningen. So fällt der Genuss der uralten Dörfchen mit ihrern uralten Steinbrücken über die Werra etwas feucht aus. Aber ob wir vom Schweiß oder vom Regen triefen - egal.
Der Bratwurststand, den ich seit der Deutschland-Tour von Flensburg nach Garmisch 2014 in guter Erinnerung habe, ist leider auf dem Meininger Markt nicht zu sehen. Schade...
DNS 2014 - schön war das damals - aber vorbei. Vielleicht sollte man sich später noch einmal eine Wiederholung mit etwas mehr Zeit gönnen...
Jenseits oder nördlich von Meiningen ist es trocken, hier gab es keinen Tropfen. Ein Phänomen, welches wir auch zu Hause in diesem dritten viel zu trockenen Sommer beobachten. Die Regenfronten aus Westen, Süden, Norden oder gar Osten erreichen uns scheinbar gar nicht mehr, es wird in den nächsten Jahren spannend, welche Pflanzenarten bei uns überleben bzw. sich neu ansiedeln werden.
Und dann ist da noch der beeindruckende plötzliche Blick auf den Inselsberg, den Höchsten im westlichen Thüringer Wald. Nicht schlecht, der sieht schon recht gewaltig aus.
Nach kurzer "Tankpause" in der Nähe von Schmalkalden errreichen wir im Abendsonnenschein unser nächstes Quartier, die "Linde" in Breitungen.
Gutes Essen, gutes Bier, gutes Quartier, See- und Dorfrundgang und ein warmer Sommerabend unter der großen Linde... Was will man mehr?  (114 km)

Heute Morgen Regen, nur ein Schauer, 10 Minuten, reicht nicht ansatzweise... Aber wenigstens ist es gut für uns Radler, dass es danach gleich wieder abtrocknet.
Aufbruch nach dem üppigen Frühstück, wenigstens ist es nicht so schwülwarm wie am Vortag. Es rollt wieder gut und zügig, vor uns liegen noch einige Kilometerchen und 16 Uhr fährt der Zug in Eisenach.
Bad Salzungen, die Kuranlagen im Vorbeiflug, dann ein (ungeplanter) letzter Berg, Vacha, die Stadt direkt an der ehemaligen Grenze mit ihrem schönen Altstadtkern und der Brücke der Einheit, die schon recht breite Werra im grünen Tal. Nun geht es durch Hessen, vorbei an den riesigen Kalihalden.
Bei Sommer und Sonnenschein wirkt das gewaltig und dramatisch, bei trüberem Wetter möchte man vielleicht nicht unbedingt neben solch einem Ungetüm wohnen.
Heringen, Monte Kali, hmmm, schön ist anders.
Die Roulade, Klöße und das Rotkraut in der "Krone" in Widdershausen sind unmittelbar im Anschluss heute vorzüglich. Lecker, da gibt es nichts zu meckern.
Noch 40 Kilometer, die lassen wir uns nun bei schönem steifen Rückenwind, die uns Entgegenkommenden sind da nicht zu beneiden, flussabwärts durchs Tal treiben.
Gerstungen, Lauchröden, Hörschel, die gewaltige Autobahnbrücke der A4 ist schon von Weitem zu sehen. Hörschel, Endpunkt des Rennsteigs, "Mekka" der Mountain Biker, die hier unten ihre Rennsteigtour beenden. Halligalli im "Tor zum Rennsteig". Aber bis zur Zugabfahrt ist es nur noch eine reichliche Stunde, so dass keine Zeit für große Pausen bleibt.
Abschied von der Werra, für dieses mal, Abschied von einer wunderschönen Gegend. Das nächste Vorhaben entsteht bereits im Kopf - Eisenach - Bremerhaven, Cuxhaven - mal sehen. Irgendwann, in der nächsten Zeit...
Nach knapp 10 weiteren Kilometern ist Eisenach erreicht, es ist Töpfermarkt und Einiges los hier, kurze Pause, die letzte, dann rollen wir zum unweit gelegenen Bahnhof und 16.06 zunächst bis Erfurt, wo Umsteigen in den vollen Regionalzug bis Jena angesagt ist.
Das ist kein Vergleich mit dem angenehmen Reisen am Freitagnachmittag. Erst recht nicht dann im überfüllten Regionalzug Nürnberg, Leipzig, in den wir (zum Glück steigen zwei Radler aus) gerade so mit Einverständnis der netten Zugbegleiterin hinein kommen. Und eineinhalb Stunden Stehen verkraften wir gerade so, haben ja genug gesessen heute. Einhellige Meinung vieler Mitreisender - diese Zugkonstruktion ist eine Katastrophe, wie viel besser wären da Doppelstockzüge mit wesentlich höheren Kapazitäten - so  werden keine Argumente geschafffen, die Menschen vom Bahnfahren zu überzeugen. Traurig... (93 km)