Hainich – Werra – Rennsteig
Ursprünglich hatte ich eine „Rennsteig-rüber-und-nüber-Runde“ für diesen Urlaub geplant.
Höhenmeterfressen, indem ich den Rennsteig mindestens viermal überqueren wollte.
Aber dann gewann doch der Reiz des Neuen die Oberhand, den Hainich wollte ich, zumindest ansatzweise, auch endlich einmal kennen lernen.
Eine Kollegin hatte schon vor längerer Zeit mal von diesen Lauburwäldern geschwärmt.
Und letztendlich war der Hainich ja auch nur ca. 30 Kilometer von Finsterbergen entfernt, so dass ich da schon eine gute Route für einen halben Tag planen konnte.
Viel mehr hatte ich nach der herrlichen Jested-Tour gar nicht mehr vor.
 
Donnerstag, 28.07.2011
Nach dem, wie in diesen Urlaubstagen immer sehr spät stattfindenden Frühstück breche ich in aller Ruhe gegen 10.15 Uhr auf.
Nach meiner Planung ist die Runde ca. 110 – 120 Kilometer lang, da wäre ich gegen 16 Uhr vermutlich wieder zurück.
Bis zum Hainich würde es recht gut rollen, im Werratal könnte ich Kilometer machen und der anschließende Ritt über den Rennsteig... Na ja, trotz einigem Respekt – ich bilde mir ein, die Rennsteigverhältnisse zu kennen. Es würde sicher etwas anstrengend, doch insgesamt gut machbar sein.
 
Von Finsterbergen, dem mitten im Wald auf ca. 500 Metern Höhe gelegenen Dörfchen geht es rasant talwärts bis Schönau v.d. Walde.
Dort befindet man sich nur noch ca. 350 Meter hoch und schon nach 5 Kilometern ist man schlagartig im recht flachen Vorland des Thüringer Waldes und kann auf den kleinen Landstraßen schöne Blicke auf den Gebirgskamm bis zum mächtigen Inselsberg hinüber genießen. Und weil das Wetter heute so schön warm und sonnig ist, müssen natürlich auch viele Fotos gemacht werden.

Dagi will mit den Mädels heute in den Klettergarten in Tabarz... Und am Nachmittag könnten wir uns dann in Finsterbergen im Freibad treffen.
Es macht richtig Spaß, wieder einmal bei Sonnenschein übers Land zu rollen. In den letzten Tagen war das Wetter eher sehr durchwachsen, letzten Freitagabend bin ich die Inselsbergtour ganz spontan noch einmal gefahren. Von Tabarz hinauf auf den Gipfel des Inselsberges – einfach Klasse!
Mal sehen, ob ich heute zum Abschluss noch einmal da hoch komme.
Das Land nach Norden zu ist wellig, weite Felder, im Westen die Hörselberge bei Eisenach, nordöstlich Gotha. Dann überquere ich die A4, Fröttstedt, Teutleben, stille Dörfer, es geht in Richtung Friedrichswerth nun endlich wieder einmal recht intensiv bergauf, ganz schnell sind da 100 Höhenmeter beisammen.
Und der Blick hinüber zum Thüringer Wald ist einfach schön.
Als ich auf der Höhe ankomme, sehe ich nur noch wenige Kilometer entfernt auf einem breiten Höhenzug den dunkelgrünen Streifen des Hainich. Doch bis dahin muss ich nochmals ins Tal, hinab nach Friedrichswerth auf 270 Meter, ehe es gen Reichenbach wieder bergauf geht. Der Anstieg ist jedoch sehr moderat, auf der Bundesstraße bis Reichenbach ist das kein Problem, erst auf der kleinen Nebenstraße nach Craula wird es steiler, aber wenn Gang und Frequenz stimmen, ist das Kurbeln gut zu ertragen.
Und oben angekommen, breiten sich nicht nur sehr sehenswert die Wälder des Hainich vor mir aus, sondern ich kann sogar von hier aus bis zum recht gut erkennbaren Brocken gucken.
Klasse, das hat sich doch gelohnt.
Da ich nun auf ca. 450 Metern Höhe bin, geht es nun nicht mehr weiter aufwärts, in Craula zweigt der Wander- und Radweg zum Nationalpark ab, den ich nun entlang fahre.
Einige Minuten und eine Schafherde später tauche ich in den Schatten der mächtigen Buchen des Hainich ein.
Tatsächlich ist der Wald hier im Nationalpark sehr urwüchsig, nichts wird hier von Menschen gepflegt, das was an Bäumen fällt, bleibt liegen, verrottet und Neues wächst darauf empor.
Ein gedämpftes grünes Licht herrscht unter dem dichten Laubdach, Stille ist hier...
Etwas weiter an einer Wegkreuzung mitten im Wald biege ich in Richtung Berka v.d. Hainich ab, nun geht es kurvenreich an einem Hang durch den dichten Urwald bergab in ein Tal.
Zweimal treffe ich auf den nächsten Kilometern auf Wanderer, sonst bin ich absolut allein hier in diesem grünen Reich.
Und wieder ein paar Kilometer weiter lasse ich den Wald hinter mir, fahre durch sich völlig selbst überlassenen Wildblumenwiesen. Das ist einfach ein Traum, so etwas haben wir vor vielen Jahren nur noch in der Slowakei gesehen. Und weil es sonnig und warm in diesem weltfernen Tal ist, summt und flattert es vom Menschen unbeeinträchtigt über den Blüten.
Oberhalb von Berka halte ich kurz – Fotopause, drüben grüßt der Inselsberg, nun schon ein ganzes Stück entfernt aus einer ungewohnten Richtung.
Ich rolle durch Berka bergab nach Mihla, 6 Kilometer sind es bis dorthin, und in Mihla erreiche ich die Werra.
Dieses schöne Flusstal mitten in Deutschland ist für mich heute das zweite Naturwunder.
Geschützt von den umliegenden bewaldeten Höhenzügen ist es hier unten angenehm warm, auf dem ruhig dahinströmenden Fluss treiben einige Paddler, auf dem Flussradweg treffe ich ab und zu Radler mit und ohne Packtaschen.
Einige werden wohl den Fluss hinab zur Weser und womöglich noch weiter fahren...
Aber das wäre natürlich auch für Dagi und mich mal eine Perspektive, mal im Urlaub einen schönen Flussradweg zu fahren. Von der Werraquelle bis zur Wesermündung...
Der Radweg führt über kleine verkehrsarme Straßen, über geschotterte Waldwege, immer ohne größere Anstiege fast direkt am Fluss entlang.
Kurz vor Creuzburg rücken die Berghänge zusammen, werden schroffer, dann Kalkfelsen über dem Fluss wie an der Saale – nur etwas schöner, weil wesentlich einsamer – so kommt es mir vor.
Nach 67 Kilometern mache ich eine kleine Mittagspause, ein Hungerast muss nicht sein.
Danach weiter, zügig, nur von Fotopausen unterbrochen, weiter am Fluss aufwärts.
Creuzburg – schön anzusehen die alte Brücke über die Werra, dahinter malerisch die Kirche und die Burg.
Im Süden sehe ich kurz darauf die gewaltige Autobahnbrücke der A4.
Diese Brücke gibt es erst seit Mitte der 90er Jahre wieder, ich kann mich noch erinnern, dass auf einer Pfingstfahrt mit Kleeni nach Süddeutschland wenige Jahre nach der Wende, die Autobahn hier jäh endete, man durch das Werratal auf holprigen Straßen musste, ehe man auf der hessischen Seite die Fahrt auf der Autobahn fortsetzen konnte.
Und unmittelbar nach oder fast unter dieser Brücke liegt Hörschel.
Hier beginnt der Rennsteig.
Ich folge den Schildern zum Werraufer, wo der Kammweg wirklich beginnt, fotografiere natürlich, nehme aber dieses Mal noch keinen Stein mit, den ich dann irgendwann in die Saale am Ende des Rennsteigs werfen werde. Das hebe ich mir doch lieber für eine künftige Herrenradtour mit Uwe und Holger auf.
Übrigens hatte man in der Thüringer Zeitung gerade in dieser Gegend an der Hörsel vor dem Riesenbärenklau, dessen Berührung Hautverätzungen verursacht, gewarnt.
Den kannte ich bislang nur aus der Schweiz, aus dem Rhonetal. Ist das schon eine Folge der Klimaveränderung, dass der sich inzwischen auch hier ausbreitet?
Mit der einsamen Wanderin, die den Rennsteig von Oberhof aus gelaufen ist, schwätze ich kurz, ehe ich mich wieder aufs Rad schwinge und in Neuenhof, zwei Kilometer flussaufwärts den Beginn des Rennsteigradweges erreiche.
Es ist gegen 14 Uhr, na ja, in zwei Stunden müssten die ca. 45 Kilometer doch noch zu packen sein.
Aber dann geht es aufwärts! Und zwar mächtig aufwärts.
Das Werratal liegt auf 195 Metern, auf einem holprigen Fahrweg schinde ich mich auf den nächsten zwei Kilometern nun hinauf auf 390 Meter.
Das ist wirklich heftig, zumal es keine gleichbleibende Steigung gibt, sondern der Weg mal etwas flacher, um dann kurz darauf desto steiler bergauf zu führen.
Aber der Ehrgeiz erfordert es natürlich auch, keinen Meter nachzugeben und gar zu schieben.
Entsprechend anstrengend und schweißtreibend gestaltet sich die Sache.
Der Thüringer Wald, der hier recht einsam ist, hat einen ganz anderen Charakter als der Hainich, weniger urwüchsig.
Dennoch sind auch hier die ausgedehnten stillen Waldgebiete eindrucksvoll.
In stetigem Auf und Ab führt der Rennsteig nun in Richtung Hohe Sonne, ab und zu ist es recht schlammig, ein rasches Fahren ist nicht möglich.
Außerdem habe ich das dumme Gefühl, bei diesen giftigen Anstiegen allmählich etwas einzubrechen.
Der Fahrradcomputer versagt auch, Kabel gebrochen – Mist! Aber „Armin“ bleibt mir erhalten, den brauche ich jetzt auch ab und zu, denn manches Mal ist die Beschilderung nicht ganz eindeutig.
Kurz vor der Hohen Sonne genieße ich den schönen Ausblick auf die Wartburg, bin nun über 400 Meter hoch.
Und dann folgt in mehreren Stufen der Aufstieg zur Ruhlaer Hütte, ca. 10 Kilometer entfernt, aber dafür noch einmal 200 Meter höher. Und auch diese Höhenmeter kann man nicht allmählich an einem Stück bewältigen sondern hier werde ich ebenfalls regelmäßig für abgearbeitete Anstiege mit sich sofort anschließendem Höhenverlust „bestraft“.
Die Ausblicke, die sich ab und zu bieten, sind zwar sehr schön, im Süden sehe ich die Halden des Kaliabbaus um Merkers, aber allmählich tut es doch etwas weh in den Oberschenkeln (!)
Und ganz allmählich stelle ich auch fest, wie viel Zeit dieses Stück Rennsteig frisst.
Von 16 Uhr im Freibad Finsterbergen kann keine Rede mehr sein, bis zum Inselsberg sind es noch einige Kilometer, selbst die Zahl „16“ erscheint mir bei diesen Verhältnissen gewaltig.
Kurz vor dem Inselsberg, ich bin nun schon auf 750 Metern angekommen, ächz (!), versuche ich, die Mädels anzurufen, doch hier auf diesem Berg findet das Handy kein Netz! Das ist schon ein wenig merkwürdig hier in Thüringen.
Na gut, nützt nix. Weiter, die Zeit läuft... Zudem spüre ich eine zunehmende Dehydrierung, das rechte Ohr ist zu, die Stimme... Alles wohlbekannt.. Und von meinen 1,7 Litern Apfelschorle konnte ich auch nur einen reichlichen Liter tatsächlich trinken, weil sich infolge der Kohlensäure einiges im Rucksack oder am Rahmen verflüchtigte.
Habe ich diesen Rennsteig so unterschätzt? Der mittlere Abschnitt zwischen Oberhof und Neustadt kommt mir da wesentlich harmloser vor. Kurz vor dem Inselsberg muss ich wieder weit, sehr weit hinab, verfehle dann auch noch den Rennsteigradweg – wo war da das Schild (?) – und muss nun sogar bis Brotterode auf 550 Meter.
Bevor ich unten ankomme, klingelt noch das Handy – aha, wieder mal Empfang.
Es ist jetzt 16 Uhr! Ich denke, ich werde so gegen 18 Uhr da sein.
Und natürlich folgt auf den Höhenverlust nun wieder ein schöner Anstieg. Die Straße über den Kleinen Inselsberg verläuft erst sehr moderat ansteigend bis zum Waldrand oberhalb des Ortes. Erst ca. 1,5 Kilometer vor dem Pass schwingt sich diese mit über 10% kurvenreich aufwärts.
Aber auch das packe ich irgendwie.
Von meinem vormittäglichen Elan, noch einmal den Inselsberggigpfel als höchsten Punkt mit zu nehmen, ist jedoch nichts mehr übrig.
Lieber biege ich am Parkplatz gleich auf den Rennsteig ab. Zum Jagdberg geht es auch noch ein Stück aufwärts, noch einmal auf 770 Meter, dann ist aber das Gröbste geschafft.
Die folgende Strecke kenne ich nun ganz gut, Auf und Ab mit schönen Ausblicken ins tief unter mir liegende Thüringer Becken, Abzweig zur Tanzbuche, Passstraße nach Friedrichroda, Spießberghaus...
Das war es für heute.
Nun vorsichtig abwärts auf dem teilweise ausgespülten Weg gen Finsterbergen.
Nun sind das meine letzten Kilometer für heute, Minuten später bin ich unten, nur noch ein letzter böser und kleiner Anstieg im Ort, dann kann ich mich bis zum Bungalow rollen lassen.
Meine Familie ist auch gerade eingetroffen, es ist 17.45 Uhr.

Meine Güte! Da war wohl doch ein ganzes Stück Fehleinschätzung heute dabei.

Aber schön war es wieder.

Hainich und Werratal waren heute DIE Entdeckungen für mich und bieten zwei lohnenswerte Ziele für spätere Urlaube.