Dienstag, 18.07.2006


Mit Joe Simpsons "Im Banne des Giganten" liege ich jetzt wirklich hier unterhalb des Eiger in meinem Zelt. Draußen tobt das Gewitter, die Quellwolken, die heute an diesen gigantischen Felsmauern emporstiegen, sind jäh explodiert.
Aber von Beginn an...
Heute nach dem Packen, das Auschecken habe ich mir erspart, breche ich kurz nach 8 Uhr auf. Es geht nach einigen Fotos von den Bergen Bluemlisalp und Doldenhorn im Morgenlicht steil bergab auf einem schotterbedeckten Waldweg gen Frutigen. Da ich ungute Erfahrungen vom Sturz am letzten Wochenende im Erzgebirge habe, steige ich da lieber ab und schiebe. Einen Sturz kann ich mir hier nicht leisten. Erst weiter unten wird der Weg befahrbar und nun rolle ich sehr rasch talwärts, durch Frutigen mit wunderbarem Blick auf grüne Matten, sonnenverbrannte Holzhütten und darüber thronende Gletscherberge bis Spiez.
Das ist eine richtige Bilderbuchschweiz, wie ich sie jetzt erlebe.
Unwahrscheinlich schnell bleiben die hohen Berge zurück, bis Spiez sind es 34 Kilometer, da sind diese nur noch im Dunst zu erkennen, hier, am Thuner See ist es mäßig gebirgig, dahinter in Richtung Bern wird es immer flacher. Nur im Süden ahnt man die Riesen. Am schönen türkisfarbenen Thuner See, auf dem ein altes Dampfschiff fährt, rolle ich gemächlich weiter, es gibt viel zu sehen. Leider führt der Radweg, die Seen-Route, welche ich hier kurz streife, fast bis Interlaken neben der Autobahn entlang und dieser Verkehr nervt. So bin ich froh, trotz des herrlichen Sees, als es endlich wieder nach Süden, nach Wilderswil geht. Gleich wieder bergauf, Wilderswil, da hatten wir doch, als wir mit Pfeifers hier waren und auf die Schynige Platte fuhren, die Autos geparkt. Wilderswil, da war doch etwas.
Ja, dort im Süden, am Talende, das sind keine Quellwolken, das sind Mönch und Jungfrau, die sich überdimensional in den Himmel erheben. Blütenweiß die Gewänder der Jungfrau, einfach schön. Ein Blick!!! Das kann kein Foto wiedergeben.
Von Wilderswil führt ein Radweg durch Wald und kleine Dörfer bis Zweilütschenen. Dort teilt sich das Tal, nach Südosten, nach Grindelwald hinauf, nach Süden, nach Wengen und Mürren, das tiefe Lauterbrunnental. Wäre natürlich auch eine Variante, mal der Jungfrau wirklich nahe zu kommen. Aber das Tal ist leider eine Sackgasse, zudem bis 1600 Meter hoch. Also bleibt es bei Grindelwald.
Nach einem weiteren Versuch, einen steilen holprigen Waldweg zu fahren, nehme ich dann lieber die recht ruhige Straße, die sich allmählich ansteigend in die Höhe zieht. Auch hier steilere Stücke, Serpentinen, doch anders als gestern, steigere ich mich, ich schaffe es, bis Grindelwald durchzufahren und nicht abzusteigen. Auch hier komme ich nicht groß über einen Schnitt von 7 - 8 km/h in den Serpentinen. Doch daran muss ich mich gewöhnen.
Natürlich bin ich dann oben im Ort ebenfalls schweißnass, aber es ist geschafft. Schon lange sah ich über den grünen Matten das gletscherbedeckte gewaltige Wetterhorn, dann befindet sich nach einer Kurve südlich jäh aufragend die unheimliche schattige Eigernordwand. Insgesamt eine Felsenmauer von 1500 bis 2000 Metern Höhe über dem Ort. Grindelwald liegt sehr schön, doch diese Lage wird entsprechend verkauft. Unmengen von Touristen, besonders aus Fernost, wälzen sich täglich filmend und fotografierend aus den Bussen und Bahnen durch die Straßen.
Apropos Bahnen. Es ist beeindruckend und für einen Deutschen nicht vorstellbar, wie sich ein Unternehmen wie die SBB finanziert, welche in kurzen Abständen in jedes Tal und jedes kleine Dorf Züge und Bahnen und Busse fahren lässt. Traumhaft, es ist quasi jeder Punkt der Schweiz per Bahn erreichbar.
Ich habe mich für das höchstgelegene Camp, das "Gletscherdorf" entschieden. Die anderen Camps lagen ein Stück weit unterhalb, da muss ich morgen zu weit hinauf. Und das Gletscherdorf heißt so, weil sich direkt vor meinem Zelt das Fiescherhorn mit seinen wilden Gletscherbrüchen präsentiert. Das ist ein Panorama, östlich steht das Wetterhorn, südlich das gletscherreiche Fiescherhorn, westlich der Eiger, in dessen konkaver Wand sich immer dunklere Wolken ballen.
Kein Wunder, wenn die Leute jeden Preis zahlen, um das zu sehen. Wobei die Camppreise auch hier moderat sind. 17 Fr.
Nach dem Duschen steige ich wieder zum Ort hinauf, das muss ich mir trotz der Menschenansammlungen schon einmal ansehen. Im Restaurant "Zur alten Post" hoffe ich schließlich, obwohl es drückend heiß ist, auf ein großes Schnitzel mit Pommes. Wäre ein Wunschtraum nach Salami, Käse und Brot, aber man hat nur kalte Speisen. Also dann eben Schweizer Schinken, Hartkäse und frisches Brot. Aber das schmeckt auch. Dazu ein kaltes Bier.
Im Coop nebenan habe ich mir nun auch noch einmal Nachschub an Äpfeln, Nektarinen und Grapefruitlimonade geholt. Und mein Portemonnaie scheint ein Loch zu haben, die Franken nehmen ständig und schnell ab.
Und schließlich lasse ich mich zur Erholung auf dem Camp nieder, will gerade mit dem Lesen von Joe Simpson beginnen, da rumpelt es aus den drohenden Quellwolken über uns. Und dann endet der Tag mit mehreren Gewittern. Erst spät kommt die Sonne noch einmal durch... Schön.
Der Bach am Camp ist unförmig und schlammig angeschwollen und stürzt mit Getöse zu Tal. Mit Joe Simpsons "Im Banne des Giganten" ...


 71,11 km, Schnitt: 17,05 km/h, Fahrtzeit: 4:10:10, Maximum: 43 km/h, Höhenmeter: 950