Beim Frühstück setzt sich Marja daneben und so kommt es noch zu einem kleinen Schwätzchen. Sie wird vielleicht Mitte sechzig sein, scheint aber fit, als ob sie zwanzig Jahre jünger wäre. Und sie vermittelt den absolut nicht aufgesetzt wirkenden Eindruck, ein völlig entspannt in sich ruhender und zufrieden-glücklicher Mensch zu sein.
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Ihre Bemerkung, dass man beim Marmelade-Machen (die schmeckt der lieben Reisegefährtin sehr gut) so ein "Ur-Gefühl" habe, bestätigt das.
Jahrelang lebte sie in Surinam samt ihrer fünf Kinder. Eine von denen hat sich jetzt wieder dort niedergelassen, sie besucht ihre Tochter einmal im Jahr.
Dann kommen noch ein paar Handwerker zum Frühstück vorbei, die bedienen sich an der Kaffeemaschine gleich selbst. Und dann ist es recht gemütlich, so dass das Aufstehen schwer fällt.
Aber wir "müssen".
Bislang gab es jeden Tag ein Highlight, die alten Städte, die Delta-Sperrwerke, die Dünenradwege, die wilde Nordsee, ja, auch die Windmühlen und das Barbecue gestern Abend... Und heute?
Heute steht die Fahrt über eine technische Meisterleistung an. In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts unternahmen die Niederländer den erfolgreichen Versuch, die große Meeresbucht
Zuiderzee vom Wattenmeer mit einem gewaltigen Deich abzugrenzen. Mit Tausenden von Bauarbeitern und der damaligen Technik wurde in einem enormen Kraftaufwand ein 30 Kilometer langer Wall
aufgeschüttet, der zudem eine Straße und eine Eisenbahnlinie aufnehmen sollte. Die Eisenbahnlinie kam dann nicht, dafür führt jetzt eine vierspurige Autobahn über das gewaltige Bauwerk.
Es ist schon ein spannender Moment, als wir den Deich erreichen. Stundenlang, nur unterbrochen von einem Halt am Denkmal für die Erbauer nebst Aussichtsturm rollen wir nun auf schnurgerader Linie
zwischen zwei Meeren entlang. Links, nördlich hinterm Deich das Wattenmeer, rechts das stille Ijsselmeer, wie die Zuiderzee heute genannt wird. Den südlichen Teil des Ijsselmeers haben die
Niederländer schon trocken gelegt. Diese neu gewonnene Provinz ist das Flevoland.
Zum Glück weht auch der Wind nur leicht und günstig, die Befürchtung hier Gegenwind zu haben, verursachte schon im Vorfeld eine kleine Sorge, denn weit und breit gibt es hier keinen Schutz
davor.
Aber so erreichen wir nach zwei Stunden angenehmen Rollens im Sonnenschein das nordöstliche Ende des Deichs und müssen dann erst wieder nordwärts gegen den heftig gewordenen Wind am Wattenmeer
weiter.
Nach der Mittagspause am Schaf-Deich irritieren die Schilder nach "Zurich" etwas, haben wir uns verfahren?
Harlingen, ein kleines feines Hafenstädtchen ist schon lange vorher, schon auf dem Deich, zu sehen gewesen. Kurzer Einkauf des Abendbrots bei Aldi, dann geht es ins Friesische.
Weit ist das Land der Apachen, sagte vor vielen Jahren der Ober-Indianer der Defa, Gojko Mitic. Ebenso ist das Land der Friesen. Im Dörfchen "Sexbierum" kommt der Gedanke, dass Manche (fast)
alles haben. Aber ob das immer so gut ist? Leute sind hier jedenfalls keine zu sehen, die werden schwer zu tun haben.
Sint Jacobiparochie - wer kennt diesen Ort? Nach unserem Tagesziel befragt, antworteten wir immer, das läge irgendwo hinter Harlingen.
Sint Jacobipa.... Schwer auszusprechen. Ein kleines idyllisches Nest mitten im platten Friesland.
Die Herberge "Jacobshoeve" ist angenehm, die Chefin (mit Enkel an der Hand) sehr nett, versorgt die Räder mit einem sicheren Platz in der Garage und begrüßt uns gleich mit einem Kaffee. Was
auffällt, sind die Muscheln, die hier in der Vitrine auf dem Gang liegen. Das erinnert doch...
Irgendwie... Der kleine Rundgang durch den Ort erklärt es schließlich. Sint Jacobiparochie mit seiner recht großen Kirche ist Ausgangspunkt des Jakobsweges, der von hier, quer durch Belgien und
Frankreich nach Santiago de Compostela führt. Dementsprechend ist auch die Herberge auf solche Pilger ausgerichtet.
Theoretisch war das nun heute auch die "Königsetappe", 75 km - mit Gepäck und unter Beachtung der gesundheitlichen Vorgeschichte gerade so das, was noch Spaß macht. Also, alles gut und
schön.
Wetter ist auch schön. Besser geht es nicht.
Und im Kühlschrank vorn im Aufenthaltsraum gibt esgegen einen kleinen Obolus noch zwei kleine Bierchen ...
(75,06 km)