"Brüssel, Gent, Brügge ------ Kamperland" - unser Gastwirt grinst amüsiert bei dieser Aufzählung, die er gleich dem anderen Gast noch mitteilt. "Kamperland" - wie um Himmels willen hat es seine weitgereisten Gäste ausgerechnet aus den weltbekannten Städten in dieses abgelegene Nest verschlagen???
Aber er bekommt unverzüglich Aufklärung anhand unserer Routenplanung.
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Nach dem Frühstück im Hotel wird gepackt, das passiert nun mit zunehmender Routine schnell und dann geht es wieder aufs Rad.
Entlang eines Kanals kommen wir problemlos und unbehelligt vom Autoverkehr aus der Stadt, müssen an einer Schleuse noch eine längere Pause einlegen, weil gerade ein Frachtschiff durchfährt und
kurz darauf rollen wir schon durch das Land.
Die letzten Kilometer in Belgien, immer am Kanal entlang. Die Gegend ist unerwartet idyllisch, das stille Wasser, die Häuserreihen am Ufer, die alten Bäume. Da stört auch der grau bedeckte
Wolkenhimmel nicht. Trocken bleibt es glücklicherweise.
Unbemerkt überqueren wir die Grenze zu den Niederlanden, sehen es erst an der ersten Zugbrücke, dem nächsten Dorf, dass wir in einem anderen Land sind.
Für ein Stück verlassen wir nun den Weg am Kanal und queren über Felder und eine recht eintönige Umgebung zur Küste.
Cadzand-Bad ist der erste Ort an der Nordsee, den wir erreichen.
Ein großer Deich, auf dessen Krone man radeln kann, Wildrosensträucher und plötzlich dahinter eine weite Marschlandschaft, eine Flussmündung und dahinter das Meer, welches sich infolge der Ebbe
zurückgezogen hat.
Nordsee - abgesehen von den britischen Inseln haben wir den westlichen Tellerrand Europas erreicht.
Einigermaßen euphorisch halten wir am Hafen, machen auf der Mole Fotopause und eine Stippvisite am Strand unten muss auch sein.
In Cadzand-Bad, dem südlichsten niederländischen Nordsee-Badeort hat auch ein Bäcker mit prima Kuchen geöffnet, den wir uns nicht entgehen lassen.
Ansonsten hat der Ort eigentlich alles, was wir an Seebädern nicht so mögen. Die Größe, die gewaltigen Betonburgen, sterile Straßen mit Schnickschnack-Läden und ein Jachthafen...
Nun ja, der ganz eigene Charme von Prerow oder Ahlbeck wird hier nirgendwo zu finden sein.
Dafür sind die folgenden Kilometer entlang durch die ersten Dünenlandschaften umso schöner. Bis Breskens bekommen wir einen ersten Eindruck, was uns in den nächsten Tagen am Meer so erwartet. Ein
paar Spritzer Regen gibt es ebenfalls, dann sind wir schon an der Scheldemündung und überqueren die Westerschelde mit der Fähre nach Vlissingen. Alles ganz unkompliziert, Fahrkarte im Terminal
kaufen, Entwerten, auf die Fähre und los...
Auch drüben auf der anderen Seite des breiten Wasserarms ist alles ganz unkompliziert. Die blaue Linie auf dem Navi führt uns auf einer (extrem) ruhigen Straße durchs Hafengebiet zur Stadt.
Eigenartig nur, dass die Leute woanders lang fuhren, aber die wollten sicher auch anderswo hin. Ein Paar auf Rädern folgt uns, das beruhigt.
Nur der Zaun nach 2 Kilometern stört plötzlich. Ende der Straße, das Gelände ist ordentlich abgesichert, das heißt, hier ist Schluss. Hmmm - nur 50 Meter entfernt in Sichtweite ist der Radweg zum Kanal, an dem es weitergehen soll. Mit ein wenig Überblick ist dann doch eine Möglichkeit zu entdecken, nicht zurück zu müssen. Doch dafür müssen die schwer bepackten Räder etwas halsbrecherisch um den letzten Zaunspfahl durchs hohe Gras und mit der Aussicht, dabei in den Wassergraben zu fallen, umgetragen werden. Kostet ein wenig Mühe, Kraft und Kratzer. Aber es gelingt. Das (ältere) Pärchen beobachtet uns dabei und dreht dann doch sicherheitshalber um. Wir jedoch sparen die Zusatzkilometer und stehen kurz darauf auf dem Radweg.
Vlissingens Randbezirke sind rasch durchquert, dann kurbelt es sich entspannt am Kanal entlang nach Middelburg, wo verkehrstechnisch etwas mehr los ist. Nichts wie weiter. Ein kleiner Knall am
Hinterrad schreckt auf, kurze Kontrolle, offensichtlich nix passiert, wird wohl ein Stein gewesen sein, dann ist bald Veere erreicht. Veere, Abfahrtsort der nächsten Fähre heute.
Die Fähre nach Kamperland. Die eben ist gerade weg, na gut, bei einem Eis und dem Beobachten des Geschehens hier vergeht die Zeit bis zur nächsten Überfahrt rasch.
Beeindruckend ist die Runde älterer Damen, die zwar später kommen, sich aber mit sicherem Instinkt so platzieren, dass sie die Ersten auf dem Boot sind. Es ist recht warm geworden, auch die Sonne
lässt sich mal wieder blicken.
Bis Kamperland selbst ist es auf der anderen Seite nicht mehr weit.
Schnell ist "D'Ouwe Smidse" gefunden.
"Hallo ich bin Jan (?)" begrüßt uns mit ausgestreckter Hand der Wirt. Etwas verblüfft sind wir da schon, das kennen wir aus Deutschland nicht - aber das ist eine angenehme Sitte, so viel Zeit
sollte schon sein.
"Ich würde ja gern tragen helfen, aber ich habe Rücken...", der Spruch ist gut, kennen wir aber schon und unsere Täschchen tragen wir auch mühelos selbst. Innerlich grinsen muss ich
trotzdem.
Das Zimmer ist nett, mit Blick in den Garten und die sicher abgestellten Räder, Dusche und WC auf dem Gang.
Küche ist nicht - wegen dem Rücken. Aber Bierchen gibt es - später, nachdem wir im teuren stilvollen Gourmet-Schuppen "Amable", einer ehemaligen Kirche, einiges Geld für ziemlich kleine
Portiönchen gelassen haben.
Aber Fish'n Chips ist trotzdem gut. Und der Mini-Käse, den die liebe Reisebegleiterin auf dem Tellerchen hatte, schmeckt auch.
Kurzer Rundgang durchs Weltdorf Kamperland, dann zurück im Abendsonnenschein zum alten Schmied.
Bierchen beim Fußball und kleiner Schwatz mit Jan (?). Der andere Gast lauscht oder schläft... Ist nicht ganz eindeutig.
"Brüssel, Gent, Brügge - Kamperland" - er kann es nicht fassen.
(59,69 km)