Jested-Tour 2011
Drei Jahre und vier oder fünf Anläufe, welche alle am schlechten Wetter scheiterten, hat es gedauert, bis sich am 16.07.2011 dieses Schönwetterfenster bot und Holger und ich das sehr kurzfristig nutzen konnten.
Endlich waren wir mit dem Rad auf dem Jested!
Ein Traumberg, eine Traumtour.
 
Noch am Donnerstagvormittag (14.07.2011) hatte ich schon die Planung für eine Osterzgebirgsrunde in der Tasche, erst kurz vor dem gemeinsamen abendlichen Kinobesuch mit Klamts hatte ich mich auf Grund der Schönwetterprognose für einen erneuten Jested-Versuch entschieden. Wann würde sich wieder solch eine Chance bieten, wenn ich nicht punktgenau an diesem Samstag fahren würde.
Und dann kam Holger mit seinen Kartenskizzen für seine geplante Samstagstour nach Schirgiswalde ans Kino. Aber der Jested als Alternativtour könnte ihm auch gefallen...
Es bedurfte keiner langen Diskussion, zumal wir ja grundsätzlich in die gleiche Gegend wollten und es völlig egal war, aus welcher Richtung er in Schirgiswalde einrollen würde.

Also Jested am Samstag – und wir würden zu zweit fahren.

Samstag, 16.7.2011
5.14 Uhr fährt der erste Zug nach Dresden. Wir treffen uns im Zug, Holger hat ein Sachsenticket gekauft, der Schaffner verzichtet großzügigerweise auf die Fahrradkarten, die wir für den VVO hätten erwerben müssen... Nett!
Umsteigen in Dresden Hauptbahnhof in den Regionalzug nach Zittau, dort kleines Chaos, eine Menge Leute mit Rädern stehen auf dem Bahnsteig und im Zug, der zudem überraschend noch von einem anderen Gleis fährt, gibt es nur ein einziges Fahrradabteil. Aber irgendwie klappt das trotzdem, dass wir alle mitfahren können.
Die Meisten wollen offensichtlich den Neißeradweg abwärts fahren.
Draußen scheint die Sonne, nur im Süden und Osten sind Wolken, denen wir quasi folgen.
Diese haben wir ¾ 9 in Zittau fast eingeholt, aber es wird auch hier zunehmend wärmer und sonniger.
Im Süden grüßen die Berge des Zittauer Gebirges, Lausche, Hochwald, vom Zug aus konnten wir sogar schon unser beeindruckend hohes Tagesziel sehen.
Übrigens will der Schaffner in diesem Zug nun die Fahrradkarten sehen und verkauft uns dann mit dem freundlichen Hinweis, dass das eigentlich 40 EUR kosten würde, doch noch zwei davon.
Glück gehabt...
Da alle Radfahrer in Zittau aussteigen, kommen wir problemlos aus dem Zug. Die Stadt durchqueren wir nun schnell, biegen dann (dank Zwinkis guter Wegbeschreibung) kurz vor dem Grenzübergang rechts auf den unscheinbaren Neißeradweg ein und folgen diesem dann nach Südosten.
Es rollt gut, wir fahren mit den Tourenrädern, weil nicht ganz klar ist, wie die Straßenverhältnisse sind, am Dreiländereck D-CZ-PL vorbei. Leider wehen heute keine Fahnen, fast hätten wir es übersehen.
Harthau, dort der Wanderergrenzübergang nach Tschechien. Guten Morgen Böhmen.
Nun im Neißetal weiter, es geht so als kleiner Vorgeschmack auf den Großen immer ein wenig auf und ab durch kleine, teilweise recht verfallene Dörfer.
Hradek, dann unterqueren wir die 4-spurige Schnellstraße nach Liberec auf einem gut asphaltierten Radweg, Chrastava. Hier verlässt der Neißeradweg den Fluß, kürzt quasi eine längere Biegung ab, es geht nun ein Stück schon recht ordentlich bergan.
Doch die gewonnenen Höhenmeter büßen wir kurz danach wieder ein, weil wir ja schließlich noch einmal das Neißetal queren müssen.
Und von hier unten sieht der Jested mächtig gewaltig aus.
Dank „Armin“ dem Garmin ist es kein Problem, nun wieder permanent bergan fahrend durch die an den Hängen des Berges liegenden Liberecer Vororte Machnin und Karlov den Weg zu finden.
Es sind kleine verschlafene Dörfchen, ab und zu stehen hier auch recht nette Villen, ansonsten der wie auch anderswo festzustellende Verfall. Schade...
Ich habe die kleine Videokamera mittlerweile ans Rad montiert, filme während des Fahrens und dann sehen wir an der Hauptstraße, die zum Pass hinaufführt, noch einmal sehr eindrucksvoll den Berg mit seiner kahlen Gipfelregion und dem glänzenden futuristischen Turm vor uns.
Hier sind wir ungefähr 450 Meter hoch.
Die Straße hat bis zum Pass hinauf ca. 6% - 7%, es gibt allerdings auch keine Stelle, an der diese Steigung nachlässt. Sie verläuft generell im Wald und lässt sich ganz gut fahren.
Dabei ist es immer wieder faszinierend, wie rasch man sein eigenes Tempo, seinen Gang, seine Tretfrequenz am Berg findet.
Holger im Wiegetritt kraftvoller und etwas schneller vornweg, er kann allerdings nicht so weit herunter schalten wie ich. Ich kurbele recht entspannt im Sitzen hinterher.
Auch wenn es im Wald schattig ist, läuft bald der Schweiß in Strömen. Einige Mountain Biker lassen wir hinter uns, eingeholt oder gar überholt werden wir bis ganz hinauf überhaupt nicht.
Kleiner Ehrgeiz :-)
Vom Pass auf ca. 750 Metern Höhe zweigt nun die kleine schmale Stichstraße ab, die sich zum Gipfel hinauf schraubt. Eigenartigerweise ist diese für alle, also auch für den Autoverkehr frei gegeben. Entsprechend ist auch der Verkehr hinauf und hinab.
Die Neigung nimmt allmählich zu, 10%, der Wald bleibt langsam zurück, auf ca. 850 Metern geht es durch eine sehenswerte Felspartie, dann wird es noch ein wenig steiler, zwei Gänge habe ich noch.
Nun freie Sicht hinab nach Liberec, wunderbar, unmittelbar über uns der Turm, dann wird es ab dem letzten Parkplatz auf ca. 950 m noch steiler, das werden 12% bis 13% sein.
Nun auch freier Blick nach Westen, auf die Fußgänger, die nur widerwillig Platz machen, muss man besonders achten, dazwischen donnern immer mal ein paar Motorräder.
Kurz vor dem Gipfel überholen wir noch ein paar Radfahrer – TdF-Feeling, als ich das Ächzen der Anderen hinter mir höre...
Und dann rattert das Rad über das Pflaster des Gipfelplateaus. Holger ist schon da, er war schneller...
Es ist 11.10 Uhr.
40 Kilometer sind es von Zittau bis hier hinauf.
Und es ist ein tolles Gefühl, jetzt endlich hier oben zu stehen!
Heute stimmt einfach alles!
Das Wetter, die Aussicht, die Möglichkeit, das auch richtig zu genießen, ganz einfach, weil wir recht fit und gut drauf sind...
Selbst die Menschenmassen stören nicht unbedingt.
Traumhaft der Blick über Bezdez, Ralsko, Kaltenberg und die anderen Lausitzer Kegelberge nach Norden, da wo Zittau liegt und das Kohlekraftwerk der Polen dampft.
Und im Osten haben wir freie Sicht über das sich weit im Talkessel ausdehnende Liberec hinüber zum Kamm des Isergebirges, und entfernter das Riesengebirge mit Vysoke Kolo, Kotel und Cerna Hora. Der Huckel dort im Dunst könnte sogar die Schneekoppe sein.
Auf das Gipfel-Bierchen verzichten wir vorsichtigerweise, denn wir müssen hier auch heil wieder herunter.
Vor lauter Schauen vergeht die Zeit sehr schnell, schade, dass wir weiter müssen.
Und auch hier und heute habe ich das Gefühl, so gut und so perfekt wird das hier am Jested nie wieder werden. Aber sollte man nur deshalb auf eine Wiederholung verzichten???
Der Jested-Anstieg ist im Prinzip vom Anspruch her wie ein Alpenpass, der sich zudem noch in unmittelbarer Reichweite für uns befindet. Schon deswegen könnte man den Berg gern noch einmal befahren. Auch wenn die Anfahrt per Zug leider recht langwierig ist...
Nach einer Stunde rollen wir schließlich bergab. Die dicken Leitplanken oberhalb der Baumgrenze haben durchaus ihre Berechtigung, hier die Kurve zu verfehlen hätte fatale Folgen.
Vorsichtig, die Bremsen und Felgen werden dabei schön heiß, geht es wieder runter zum Pass.
Von dort nun hinab nach Krizany. Viele Radfahrer kommen uns dabei entgegen.
Trotz der Jacken wird es bei gerade mal 16°C hier oben recht kühl, erst unten in Krizany auf ca. 400 Metern ist es wieder ordentlich warm, so dass wir diese ausziehen können.
Nun fahren wir durch idyllische böhmische Dörfchen westwärts. Immer wieder bieten sich schöne Blicke auf die Lausitzer Berge, es geht lange abwärts, erst kurz vor Jablonne lauert der nächste Anstieg.
Jablonne mit seiner für diese Kleinstadt arg überdimensionierten Kirche vor der mächtigen Kulisse des Hochwalds – wunderschön!
Und in Jablonne gegen 13 Uhr (ca. 65 km) finden wir am Markt ein kleines Restaurant mit ein paar Tischchen auf dem Fußweg, wo wir zum Mittag einkehren. Es gibt Goulasch, Knödel und dazu ein großes Pilsner vom Fass! Und alles für 5,- EUR!
Dazu Sonne, weiße Wölkchen, blauer Himmel und die Erinnerung an den Jested.
Was will die Seele mehr?
Nachdem wir die Europastraße überquert haben, radeln wir kurz darauf durch Hermanice wieder bergauf. Hermanice – vorbei an der Ceska Hospoda, hier waren wir im September 2009, wieder eine Erinnerung an ein schönes Wochenende auf dem Hochwald...
Wir überqueren einen Seitenkamm und rollen dann hinab nach Marenice, dort ist ein kleines Volksfest, wir müssen deshalb ein Stück schieben, ehe es in Richtung Krompach weitergeht.
Etwas später zweigt die kleine Straße nach Nova Hut ab. Und das Sträßchen, welches nun bergauf führt, erinnert mich plötzlich sehr an die Steile Wand...
Das ist mindestens Jested-Niveau, eigentlich kommt mir das Ganze sogar noch steiler vor, zumal die Beine ein wenig schwer geworden sind.
Aber die Sicht kurz darauf nach Osten zum schon fernen Traumberg entschädigt natürlich für diese Anstrengung. Nun Auf und Ab, d.h. eigentlich mehr Auf nach Nova Hut durch die weiten Wälder des Lausitzer Gebirges südlich der Lausche.
Übrigens konnten wir von Jablonne aus sogar den Kleis erspähen.
Nova Hut, wieder queren wir die Europastraße, dieses Mal an deren höchster Stelle im Lausitzer Gebirge auf ca. 570 m.
Holger ist am Überlegen, ob er nun von hier aus auf kürzestem Weg nach Schirgiswalde fährt, doch die großen Laster, die hier vorbei brausen, überzeugen ihn, mit mir wenigstens noch bis nach Kytlice zu fahren.
Das erreichen wir nunmehr bergab sehr schnell und hier an der kleinen Straße, auf der Günter und ich 2007 auf unserem Weg ins Riesengebirge fuhren, trennen wir uns. Er hat noch einige Berge bis Schirgiswalde vor sich, ich muss am Rosenberg vorbei ins Elbetal.
In der Nähe von Ceska Kamenice, es rollt angenehm hier im schattigen Tal, erreiche ich heute die 100 Kilometer.
Sehenswert ist kurz vor der Stadt der große Basaltfächer, unweit von hier befinden sich ja auch die Basaltsäulen des Zlaty Vrch, die noch größer als die am Hirtstein sein sollen.
Ceska Kamenice, dann mit kleinen Auf- und Abfahrten im Kamenicetal weiter.
Ab dem Dörfchen Luzna geht es dann noch einmal richtig bergauf, hinauf auf die Ebenheit am Rosenberg.
Obwohl ich etwas müde geworden bin, hole ich sogar noch einen Mountain Biker ein. Aber der rollt dann wieder locker an mir vorbei, als ich oben noch ein Foto vom Rosenberg mache.
Ruzova, bekannte Gegend, die Kneipe im Ort, in der wir schon dreimal waren, dann in Janov noch ein kleiner böser Stich und dann endlich, endlich die Abfahrt nach Hrensko.
Oberhalb ein schöner Aussichtspunkt, kurze Fotopause, ehe ich durch Hrensko rolle – kleiner Stau an der Straße an der Elbe, weil dort die eine Straßenseite wegen herabgestürzter Sandsteinblöcke gesperrt ist und dann der Grenzübergang.
Schmilka, rasch weiter an der Elbe entlang bis Bad Schandau.
Und hier habe ich 130 km auf dem Fahrradcomputer stehen.
Bis Dresden könnte ich es vielleicht per Rad noch schaffen. Das sind noch ca. 45 Kilometer. Also weiter, Elberadeweg am Lilienstein entlang bis Königstein, Fähre...
Die S-Bahn ist gerade weg und bis die nächste Bahn eintrifft, komme ich noch bis Rathen.
Allerdings ist es anstrengend, sich auf die vielen Spaziergänger und Spazierfahrer auf den nächsten Kilometern zu konzentrieren.
Deshalb beende ich die Tour nach knapp 142 Kilometern heute in Rathen, so wie im letzten Jahr
nach unserer Erzgebirgskammtour.
Ich habe keine Lust mehr...
Schön war es, besser wird es nicht mehr.
Weshalb also den tollen Eindruck schmälern, wenn ich mich nun noch bis Dresden schinde. Es ist schon 17.15 Uhr, da wäre ich recht spät erst in Dresden.
Und außerdem kenne ich die Strecke.
Als ich dann 17.24 Uhr im übervollen Zug nach Dresden sitze, spüre ich die Beine doch etwas.
Es reicht für heute.
18.10 fährt die Bahn ab Dresden nach Borsdorf, 19.50 Uhr bin ich zu Hause.
Von Holger habe ich indessen eine SMS (17.39 Uhr) auf dem Handy.
 
„139 km Ferdsch Bis zum nächsten Mal“

Das war’s!
Schön war’s!