Riesengebirge 2008
 
Freitag, 25.07.2008
Gestern abend gab es richtigen heftigen Regen, es war kalt, nur 13°C in Spindlermühle, als wir ankamen. Und es war ein wenig merkwürdig, nun mit dem Auto durch die Regionen zu fahren, die wir im vergangenen Jahr mit dem Fahrrad durchquerten.
Die Pension ist ok, die Vermieterin recht nett. Und die Rentner im Haus schliefen nach ihren Worten schon, wir sollten leise sein.
In der Kneipe "Diana", in der wir auch im letzten Jahr einkehrten, bekamen wir zum Glück gegen 21.30 Uhr noch ein warmes Essen... Haxe!
Die lag etwas schwer im Magen, schmeckte aber vorzüglich. Und im Regen ging es dann zurück in die Pension. In Deutschland, zu Hause, war es dagegen schon recht heiß und sonnig, als wir abfuhren. Heute morgen hängen die Wolken ebenfalls dunkel und drohend tief über dem Gebirge. Doch der Regen, der gestern auch die Elbe zu einer braunen schlammigen Flut anschwellen ließ, hat aufgehört.
Unter unserem Balkon liegt Spindlermühle malerisch im Tal. Nach dem Frühstück, welches gemessen am Preis nicht allzu üppig ist, schwingen wir uns 8.40 Uhr dann auf die Räder und dann geht es hinauf zum Spindlerpaß. Zunächst wieder durch Wald, die Sicht ist nicht so berauschend. Ohne die Taschen sind wir wesentlich schneller als im letzten Jahr, auch die Steigung scheint moderater zu sein, so kommt es uns zumindest vor. Ab 1.000 Metern weht allerdings ein heftiger Wind von Norden über den Paß, dadurch wird es ziemlich kalt. Und oben, nach einer dreiviertel Stunde Fahrt, auf 1.200 Metern, ist Waschküche. Wir kehren in die noble Spindlerovka zu einem Capuccino ein, drinnen sitzen gelangweilte dicke Deutsche, die aus dem Fenster oder auf den Fernseher nach den Wettermeldungen gucken. Aber draußen, trotz des Nebels, sehen wir auch etliche Wanderer. 
Nach kurzer Pause rollen wir dann auf der polnischen Seite hinab. Auch das scheint weniger schlimm als 2007, wir hatten bis eben noch großen Respekt vor dieser 25%-Abfahrt, aber durch den grauen Nebel ist die Steilheit der Piste kaum zu erkennen. Und meine Scheibenbremsen bestehen ihren ersten Härtetest. Ich muss dieses Mal nicht absteigen und bergab schieben! So sind wir sehr rasch wieder unter den Wolken im Wald und fahren nun via Borovice gen Karpacz. Um den Straßenbogen nicht zu tief ins Tal mitzunehmen, benutzen wir den Fernradweg ER2, den kennen wir nur zu gut vom letzten Jahr, der erwartungsgemäß über Stock und Stein aufwärts durch den dichten Wald führt.
Vor Karpacz müssen wir noch den Czolo-Pass überqueren, einen nach Norden ziehenden Seitenkamm des Gebirges, müssen also von 600 m erneut auf über 800 m hinauf, ehe wir schließlich weit ins Tal abfahren können. Karpacz erstreckt sich lang hinab bis auf ca. 500 m und ist ein großer, sehr belebter Urlaubsort. Es sind nur wenige Deutsche, dagegen sehr viele Polen unterwegs, die sich hier auf den Fußwegen drängen. Und die Fahrgewohnheiten der polnischen Autofahrer sind auch ziemlich rau. An einem Eisstand mitten im Ort machen wir Rast,  es gibt ein schönes Eis dazu eine Banane...
Leider ist von der mächtigen Nordseite der Schneekoppe absolut nichts zu erkennen. Alles ist von dicken Wolken eingehüllt. Schade. Sehr schnell fahren wir nun durch das kleine Dorf Sciegny ins 7 km entfernte Kowary. Auf der Karte sah das recht weit aus, wir sind überrascht, dass das in Wirklichkeit so nah ist. Und von Kowary, welches ein trostloses Nest ist, geht es ohne Pause auf der Straße gleich ohne Aufenthalt weiter hinauf zum Okraj-Pass.
Nur eine Straße in der Altstadt hat man restauriert, d.h. die Vorderfassaden saniert und frisch angestrichen, die Rückseiten der Häuser verfallen wie alle anderen auch. Der Anstieg zum Okraj-Pass ist, wie vermutet, nicht ganz so steil wie zum Spindlerpaß. Nur der Autoverkehr nervt etwas. Aber auf ca. 800 m zweigt die eigentliche Passstraße von der Hauptstraße, die nach Waldenburg führt, ab und die ist zum Glück nun wesentlich ruhiger. Es wird dann auch wieder etwas steiler, mit kurzen Abschnitten bis zu 10%. Es fährt sich gut, die Wolken reißen zudem zunehmend auf, die Sonne kommt durch, es wird wärmer.
Oben an der Grenze ist kaum Verkehr, einige Mountain-Biker sind unterwegs, man grüßt sich freundlich. Mala Upa, auf der böhmischen Seite ist das Ende der Welt, Günter schaut sich hier nach der Herberge um, in die sie Silvester mit ihrer Truppe fahren wollen, ich sitze in diesen Minuten in der Sonne am Straßenrand im Gras und genieße diesen abgelegenen Winkel des Riesengebirges, den Blick ins Tal, hinüber zum fernen Cerna Hora. Schön ist es hier.
Nach einer angenehmen Pause folgt nun eine 8 Kilometer lange, sehr schöne Abfahrt durch das Upa-Tal, welches tief eingeschnitten das Riesengebirge von Osten her begrenzt. Immer tiefer wird dieses Tal, der Wald hier ist noch in Ordnung, über Steinblöcke rauscht die Upa neben der Straße.
Velka Upa, Horni Marsov, hier der Abzweig nach Pec pod Snezkou, dann kurz darauf Svoboda nad Upou, ein größerer Ort. Das Tal wird nun weiter öffnet sich dem Vorland. Wir schwenken aber nach Westen ab, müssen nun von 500 m wieder eine endlos lange Steigung hinauf auf 800 m, nach Janske Lazne.
Die Hitze macht mir nun zunehmend zu schaffen, ich muss abreißen lassen, kann Günter nicht mehr ganz folgen. Endlos geht es aufwärts, der Schweiß läuft in Strömen, brennt in den Augen...
Und die Steigung nimmt nicht ab. Nördlich von uns erkennen wir den massigen Cerna Hora, den Hausberg von Janske Lazne (1.299 m), der schon aus dem Vorland von weitem gesehen, sehr markant wirkt. So kommt die Pause auf der Passhöhe auf der Terrasse einer Gaststätte wie gerufen. Eine Cola für den Zuckerspiegel, ein Genuss! Danach Schussfahrt nach Cerny Dul, von dort auf die Hauptstraße E14 in Richtung Vrchlabi, die über einige, vergleichsweise sanfte Hügel führt.
Vrchlabi ist lediglich 8 km entfernt, wir sind tief im Vorland angekommen, nur noch 400 Meter hoch, hier ist es spürbar heißer als im Gebirge oben. In Vrchlabi müssen wir nun zu guter Letzt einen Fahrradhändler aufsuchen. An meinem Rad ist beim Transport im Auto der Draht des Fahrradcomputers gerissen, ich hoffe, hier billig Ersatz zu bekommen. Doch Sigma scheint eine Art Edelmarke in Böhmen zu sein. Der Draht kostet mich sage und schreibe 12,- EUR!!! (in Worten: ZWÖLF) Ich bin fassungslos, Günter amüsiert sich köstlich. Aber dafür habe ich das Gefühl, nun wenigstens nicht mehr umsonst hier Rad zu fahren. Man kommt sich doch etwas nackt vor, wenn man das Teil nicht am Rad hat;-)
15 Kilometer im schönen kurvenreichen Elbtal, sanft ansteigend, liegen noch vor uns, wir überholen sogar noch einen Tschechen, dem das aber gar nicht gefällt. Er hängt sich an uns dran und dann packt ihn  der Ehrgeiz und er beginnt, zu sprinten. Wir halten dagegen kurz noch einmal an der Spindlermühle-Information, ich möchte gern ein Gastgeberverzeichnis, bekomme aber nur ein paar Flyer.
An der Staumauer des Elbestausees, wo einige Animateure ("Adrenalin") mit Kletterausrüstungen für den Nervenkitzel der Touristen sorgen, hat Günter dann die tolle Idee, nicht die von den Autofahrern recht zügig befahrene Straße weiter zu benutzen, sondern auf einen nach seinen Worten schönen Waldweg auszuweichen. Und der ist wirklich schön...
Schön steil -  mit viel Schotter bedeckt.
So steil, dass ich schließlich absteige und ein kurzes Stück schieben muss. Ich will mich nicht fertig machen und ja auch morgen noch eine Tour fahren. Insgesamt sind wir heute 105 Kilometer gefahren, mit, laut Günters Höhenmesser, 2.149 Höhenmetern, es war eine schöne Runde, leider hat man von den Bergen auf der polnischen Seite nichts sehen können.
Nach dem Duschen radeln wir noch einmal ein wenig elbaufwärts zum Zusammenfluss von Labe und Bile Labe, dort steht eine Restauration mitten im Wald. Myslivny, einsam gelegen, es gibt dort ein gutes Essen, gutes Bier und gute Preise. So sitzen wir einige Stunden, genießen den Abend, schwatzen und als die Kellnerin am Ende möglicherweise vermutet, dass wir etwas betrunken sind und 1.000 Kronen Wechselgeld einbehalten will, beschließen wir, hier doch lieber nicht mehr her zu gehen. Aber es war ein toller Tag heute.

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