Traumtour – Thüringen 2007


Diese Radtour ist mit reichlich 77 Kilometern weder von der Länge noch von den Höhenmetern, gerade einmal 1250 an der Zahl, her rekordverdächtig, aber auf Grund des Wetters und der Landschaft gehört sie zu denjenigen, die ich ohne Weiteres als Traumtour bezeichnen würde.
Dabei hatte ich das gar nicht einmal so erwartet, es war eher eine Verlegenheitslösung, die entstanden war, weil wir unseren Thüringenurlaub vom August 2007 mit diesem Septemberwochenende auf das Angenehmste verlängert hatten. Und verdanken durfte ich diese Tour letztendlich ja unserer Großen, weil sie sich völlig selbständig um Karten für die Biathlon-Wettkämpfe am Samstag in Oberhof gekümmert hatte.
Da ich kein großes Interesse an den Wettbewerben selbst hatte, sah ich also den Tag als Gelegenheit, mich noch einmal aufs Rad zu schwingen, und ein wenig am Rennsteig herumzukurven.
 
Samstag, 15.09.2007


Meine Familie hat sich in den Menschenmassen an der Rennsteig-Arena verkrümelt. Wir sind rechtzeitig hier oben, sie haben dann auch gute Plätze. Und ich, völlig ungewöhnlich in den an mir vorbei strömenden Menschen, setze gegen 10 Uhr meinen Helm auf, steige aufs Rad und fahre in die entgegengesetzte Richtung.
Vom Parkplatz am Grenzadler steigt der Rennsteig steil an, rasch komme ich so auf über 900 Meter Höhe. Die vergangenen Regenfälle haben allerdings viele Rinnen ausgewaschen, ab und zu rutscht das Hinterrad im feinen Kies seitlich weg. Aber kein Problem, bergauf bin ich langsam genug, es kann nichts passieren. Die Wolken verziehen sich allmählich in Richtung Südosten, denen fahre ich hinterher, aber sie sind schneller, so dass auch ich bald die volle Sonne habe.
Zum Rondell geht es dann wieder recht steil, vorsichtig taste ich mich hinab, es sind viele Leute in Richtung Biathlon-Stadion unterwegs. Und am Rondell, als ich auf der Brücke die Straße von Schmalkalden überquere, staut sich der Verkehr. Da hatten wir richtiges Glück, als wir von Ohrdruf hoch kamen.
Ich habe Rückenwind, das ist sehr angenehm, gerade auf der vom Rondell nun leicht ansteigenden Rennsteigstraße. Kurz vor dem Beerberg verlasse ich den Asphalt und kurbele mich nun zur Plänckner-Aussicht hinauf. Auf ca. 970 Metern bietet sich ein wunderbarer Blick auf das tief unter mir liegende Suhl. Die Luft ist sehr klar, so dass man darüber hinaus weit bis zur Rhön schauen kann. Aber kühl ist es und es wird auch nicht viel wärmer. Kurze Rast, Schauen, dann weiter. Auf 943 m erreiche ich den höchsten Punkt der Rennsteigstraße, dann rolle ich zügig an der Schmücke vorbei hinab. Am Mordfleck, ca. 850 m, vorbei. Nördlich erhebt sich der große Finsterberg, dort oben war ich im August.
Heute verzichte ich allerdings auf den Gipfel, der Weg wird noch schlechter als vor einem Monat sein, schon damals war er rutschig und ausgewaschen.
Es geht, immer mit gutem Rückenwind, weiter. Diese Route liefen wir übrigens in den Ostertagen 1987. Mit riesigen Kraxen unternahmen wir damals eine Rennsteigwanderung von Oberhof bis Neuhaus am Rennweg. Heute sind die Kilometer und Anstiege kein Problem. Rasch erreiche ich, wieder von der Straße abweichend, die Alte Tränke, damals lag hier knietiefer Schnee. Dann der Bahnhof Rennsteig, heute ein Dampflokmuseum, und kurz darauf Allzunah. Nachdem es nun wieder ziemlich hinauf zum Dreiherrenstein geht und ich auf der Uhr sehe, dass es noch recht zeitig am Tag ist, fahre ich kurz entschlossen fünf Kilometer weiter bis Neustadt (30 km) am Rennsteig, um den Wind einfach noch ein wenig auszunutzen. Der Ort liegt hoch oben auf dem Kamm, umgeben von weiten Wiesen. Im Winter wird es hier sicher ganz schön unwirtlich sein. Einem Sturm bietet sich hier oben kein Hindernis.
Meine Stimmung wird immer besser, am Ortseingang wende ich, um zum Dreiherrenstein zurück zu kehren. Ohne Zeitdruck so durch die weiten Wälder zu radeln, bergauf, bergab, es ist einfach zu schön. Vom Dreiherrenstein nehme ich die direkte Straße nach Ilmenau. Es geht nun auf 750 Meter hinunter, nicht sehr steil, die Abfahrt ist lang und es rollt vorzüglich. Am Gasthof Auerhahn zweigen etliche Wanderwege ab. So ist unter anderem auch hier der Aufstieg zum Kickelhahn nun ausgeschildert, der Gipfel ist nur 3,5 Kilometer entfernt.
Einige Busse stehen hier, Radfahrer, wie oben am Rennsteig, sehe ich hier nur Einen, der aber ziemlich unentschlossen aussieht. Wieder geht es aufwärts, recht steil, dann wieder stark abschüssig hinab zur Hirtenwiese, ein großes Kreuz auf einer Wiese, auf einer Bank ein altes Ehepaar, welches betend die Köpfe senkt, und von dort hinüber zum Jagdhotel Gabelbach. Hier verläuft übrigens der Goethe-Wanderweg. Na mäg, wenn es gut für den Tourismus ist. Das Jagdhotel ist übrigens kein Restaurant oder Hotel, sondern ein Museum. Hier soll Goethe auch abgestiegen sein.
Und die Sonne lacht! Sie zaubert goldene Farben ins Laub, welches sich schon herbstlich verfärbt. Am Jagdhaus, wo der unmittelbare Aufstieg zum Kickelhahn beginnt, sind viele Leute unterwegs. Mit einem gemächlichen, knie- und herzschonendem Tempo von gerade einmal 8 km/h überhole ich allmählich die Wanderer, die mehr oder weniger laut, dem Gipfel entgegen steigen.
Eine Markierung, 800 m, noch 61 Höhenmeter, der Weg ist steinig, recht steil, aber eigentlich keine außergewöhnliche Herausforderung. Absteigen darf ich hier sowieso nicht, denn ich werde das Gefühl nicht los, dass die Leute nur darauf warten.
Gegen zwölf Uhr bin ich oben auf dem Kickelhahn, auf 861 Metern Höhe.
Es gibt ein kleines uriges Wirtshaus, einen Aussichtsturm und einen lichten Laubwaldbestand hier oben. Und eine freie Fläche mit Bänken und Tischen, von der aus man eine großartige Aussicht auf den zentralen Teil des Thüringer Waldes genießen kann. Drinnen muss man anstehen, auch hier oben sind schon rudelweise die Wanderer eingefallen. Aber für ein Radler und eine original Thüringer Rostbratwurst, die dann aber im Fett schwimmt, lohnt sich das.
Abseits der Wanderergruppen, bei denen Stimmung ist, eine Gruppe lässt sich sogar dazu verleiten, ein paar Lieder wie zum Beispiel die "Vogelhochzeit" abzusingen, sitze ich nun und schaue. Tief unten das Ilmtal, drüben der Große Finsterberg, die Häuser an der Schmücke, der Turm auf dem Schneekopfmassiv...
Und in der Sonne ist es auch angenehm, aber nicht zu warm. Einfach ideal... Das ist ein richtig schöner Höhepunkt dieses gelungenen Tages. Bis halb eins dehne ich meine Mittagsrast hier oben aus. Es fällt mir fast ein wenig schwer, hier wieder aufzustehen und das hinter mir zu lassen. Aber die nachfolgende Wanderergruppe, die ich vorhin überholte und die nun hier eintrifft, erleichtert mir das schließlich wegen des lauten Geschwätzes und den organisatorischen Anordnungen des Wandergruppenchefs dann doch wieder ein wenig.
Ich schiebe ein Stück abwärts, der Pfad ist schmal, abschüssig und voller Wurzeln. Reichlich 40 Kilometer habe ich jetzt hinter mir. Eigentlich ein Klacks... Aber es geht mir heute erstaunlicherweise einfach nicht um bloße Kilometer- und Höhenmeterstatistiken. Genuss ist die Devise. So etwas läßt sich nicht wiederholen, solche Tage sind einmalig im Leben. Erst auf dem Hauptweg rolle ich vorsichtig bergab, meine ohnehin schon sehr abgenutzten Bremsen stark beanspruchend. Wieder vorbei am Jagdhaus erreiche ich nach weiteren paar hundert Metern die Straße und nun geht es in Schussfahrt durch frühherbstlichen sonnendurchfluteten Wald sehr schnell hinab nach Ilmenau, welches ich schon nach wenigen Minuten erreiche.
Im Fahrtwind ist es sehr kühl, aber als ich dann kurz darauf das Ilmtal aufwärts in Richtung Manebach fahre, wird es mir schnell wieder wärmer.
Manebach, parallel zur Hauptstraße suche ich den richtigen Weg, der wieder hinauf in die Berge führt. Ilmenau liegt auf ca. 450 bis 500 Metern, ich will wieder zur Schmücke und danach zum Schneekopf.
Glücklicherweise ist der Weg zum Mönchshof ausgeschildert, nun kurbele ich mich straff bergan wieder auf 750 Meter hinauf. Ich spüre schon die Beine ein wenig, aber bei der gleichmäßigen Tretfrequenz ist das locker auszuhalten. Nur der Schweiß läuft jetzt in Strömen. Am Mönchshof, einem Gasthaus mitten im Wald treffe ich auf den Geraradweg. Gut ausgeschildert ist nun auch die weitere Route zur Schmücke. Und hier am Mönchshof bricht auch gerade eine Horde Mountainbiker auf, laute, sportliche, dynamische Typen. Aber die fahren, Aufatmen, talwärts.
Der Weg zur Schmücke führt nun auf einem Seitenkamm immer sanft ansteigend bis zur Quelle der Zahmen Gera, ehe er sich noch einmal heftig und steil hoch schwingt, um die noch verbleibenden Höhenmeter einzusammeln. Und dann ist urplötzlich Schluss, ich finde mich unerwartet auf einem sehr schmalen Pfad wieder, aber das Schild war doch vorhin eindeutig.... Na ja... Aufwärts, aber nun muss ich ein kleines Stückchen doch noch schieben, sonst ruiniere ich mir das Rad.
Kurz vor der Schmücke erreiche ich die Straße, die ich im August von Gehlberg hinauf kam. Nun sind es nur noch wenige Meter und schließlich ist auch der Schneekopf nicht mehr weit. Dieser kahle Gipfel, der heute den schönsten Rundblick bietet, avanciert langsam zu meinem Lieblingsberg. Der Blick von hier oben ist heute sagenhaft. Selbst der Inselsberg ist klar zu erkennen, kein Dunst trübt die weite Sicht. Und im Nordosten, unweit, der Kickelhahn. Am Vormittag fand hier oben die offizielle Grundsteinlegung für den neuen Aussichtsturm statt. Ein paar Festzelte stehen noch auf der Wiese unterhalb der Gipfelkuppe. Und hier oben stehen außer mir noch ein paar Mountain-Biker, die ebenfalls in die Runde schauen und genießen.
Einige Minuten Gipfelschau und -genuss bleiben, ehe wieder einmal ein paar Wanderer mit blöden Sprüchen eintrudeln, so dass ich die Flucht ergreife.
Nach Oberhof geht es nun nur noch abwärts, Rondell, der Stau hat sich aufgelöst, dann noch einmal die letzte Höhe über 900 Meter zum Grenzadler hinüber, ich trete gemächlich, ohne Hast und bin schließlich halb vier voller angenehmster Eindrücke von dieser Traumtour wieder am Biathlonstadion, wo gerade die Zieleinläufe des Frauenwettkampfes stattfinden. 
Tja, kann das denn nun für 2007 alles gewesen sein?

 

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