Radler-Freuden

Gerade noch habe ich überlegt, wie entspannt das Leben ohne große Tourenprojekte vor der Nase doch sein kann.
Kein Tunnel, in dem man über Wochen und Monate hinweg den Bezug zur Außenwelt verliert, sich nur noch auf das Ziel konzentriert und darauf vorbereitet...
Die Sinne, die sich plötzlich auch auf längst vergessen geglaubte Dinge im Leben erweitern.
Der Duft des üppigen Blütenschaums unseres Schneeballstrauchs, der mich wie in einer Wolke einhüllt, begleitet von dezenter Bienen-Summ-Musik, ab und zu verstärkt vom tiefen Bass einer vorbei brummenden Hummel.
Das stille Genießen eines Buches in der Sonne im Grünen.
Lesen.
Ruhe und Gelassenheit machen sich breit. Lebensfreude.

Wenig später stoße ich beim Lesen wieder einmal auf die Internet-Seite eines Langstreckenradfahrers.
Diese gefällt mir besonders gut, weil ich glaube, den Mann zu verstehen.
In seinen Schilderungen spüre ich buchstäblich die wohlbekannte Freude am Planen und Fahren einer langen Randonnée durch schöne Landschaften und Städte.
Welch einen Tagesabschluss beschreibt er hier mal wieder.
Noch ein Glas Wein in einem Straßencafé, ehe er sich nach dem absolvierten Tageskilometerpensum im Schlafsack am Straßenrand einrollt. Über ihm nur der unermessliche Sternenhimmel. Ich kann den Zikadengesang in der südfranzösischen Nacht bis hierher hören. Und dann, am nächsten Morgen, steht er oben auf dem Gipfel des Mont Ventoux.

Während ich auf der Karte im Computer die Route durch eine Region ziehe, die mir von früher her ein wenig vertraut ist, steigen in mir Erinnerungen an eine schon mehere Jahre zurückliegende Fahrt auf - die Landschaft mit den steppenartig weiten Grasflächen, die jäh aufragenden einzelnen Kegelberge. Gelb blühende Rapsfelder unter einem blauweißen Frühlingshimmel, wunderbare alte böhmische Städte...
Der Genuss beim langen Ausrollen nach der Gebirgsüberquerung, während die Schatten länger werden und die Abendkühle einsetzt im Waldtal am rauschenden Fluss.
Und endlich das warme Bad nach der Fahrt, eine Flasche Bier auf dem Tisch...

Ist das Höhenprofil nicht zu schwer - wird mit dieser Route der Spagat zwischen Leistungsanspruch und Genuss auch dieses Mal wieder zu schaffen sein? Leise kribbelt es in mir.

Lesen...
Nun lese ich noch einmal in meinen eigenen alten Tourenberichten.
Doch - ja - auch diese Route sollte mit der richtigen Strategie gut zu fahren sein...
Ich fühle Vorfreude, Vorfreude auf die nächste Fahrt.

Irgendwann bin auch ich wieder On The Road.

Schreibe es dann auf - um es auch in trüben Momenten zu lesen - die Erinnerungen an einen weiteren schönen Tag im Leben.